Instrumentalunterricht in der digitalen Heimat: Musikalische Videospiele und Online-Kurse
Gerade habe ich einen Vortrag an der Musikschule Lüneburg zum Thema „Instrumentalunterricht in der digitalen Heimat: Musikalische Videospiele und Online-Kurse“ gehalten.
Zur Lebenswelt insbesondere von Kindern und Jugendlichen zählen Videospiele, Webseiten wie youtube und die Benutzung von Apps auf Handys und Tablets. Ein paar Beispiele für Angebote zur Gehörbildung und zum Erlernen von Musikinstrumenten in dieser digitalen Heimat liste ich im folgenden auf. Diese Auflistung ist weder vollständig noch repräsentativ aber sie gibt einen guten Einblick in gängige Vermittlungsangebote.
SoundsLike?
SoundsLike? macht Geräusche und Klänge auf iPhone und iPad über ein vertrauten Spielmechanismus erlebbar. Das Spiel regt die Phantasie an, schult das Gehör und macht seine Spieler sensibler für die alltäglichen und ungewöhnlichen Klänge ihre Umwelt.
Die App Soundslike? habe ich mit Unterstützung der Programmierer von Prefrontalcortex sowie dem Centre for Digital Culture der Leuphana Universität Lüneburg entwickelt. Sie erscheint in Kürze im iTunes-Store ist im AppStore erschienen.
Musikalische Gehörbildung
Einen einfachen Zugang zu musikalischer Gehörbildung bietet die Seite Musikwissenschaften.de an. Sie ermöglicht Intervalle mit Orgel- oder Klaviersound zu hören und zu bestimmen.
GuitarGames: Note, Tab, Video, Game
In meiner Forschung beschäftige ich mich vorwiegend mit Guitar Games und Videos. Die Ansätze sind aber auch teilweise auf andere Instrumente übertragbar. Insgesamt lässt sich eine Entwicklung vom konventionellen Notenblatt zu instrumentenspezifischer Notation wie Tabulatur, bis hin zu Videoangeboten und schließlich zu Videospielen erkennen. Die Vermittlungsangebote werden im Vergleich zur Partitur dynamischer, weniger abstrakt und weniger universell.
Neben den klassischen youTube-Angeboten ermöglichen insbesondere spezialisierte Plattformen dem Instrument und seiner Spielweise sehr nahe zu kommen. Verschiedene Kameraperspektiven oft auch zugleich in einem Bild sind hilfreich um beispielsweise die Bewegungen der rechten und linken Hand gleichzeitig einzufangen.
Professionelle Angebote wie Truefire bieten aktuell sogar Multitrackaufnahmen an, in denen man dynamisch zwischen den verschiedenen Instrumentalisten der Band umschalten kann.
GuitarGames sind vor allem durch Guitar Hero bekannt. Aktuelle Spiele wie Guitarbots oder Rocksmith machen es nun möglich, herkömmliche Instrumente beim Spielen zu verwenden.
Klavierspielen mit Synthesia
Ähnliche Herangehensweisen sind auch für den digitalen Instrumentalunterricht am Klavier zu beobachten. Hier laufen die zu spielenden Töne auf einer mit der Pianorolle vergleichbaren Matrix auf die Klaviatur zu. Bei der Verwendung spezieller Keyboards leuchten die Tasten entsprechend auf.
Das Instrument als Joystick
In anderen Strategien der Vermittlung bestimmter Instrumentaltechniken wird das Instrument zum Joystick. In den sogenannten Minigames von Rocksmith vernichtet man gegnerische Feinde durch das Spielen der korrekten Tonleiter oder Raumschiffe durch das Greifen vorgegebener Akkorde zur korrekten Zeit.
Nicht nur in der Rockmusik wird so ein Verfahren verwendet, das kanadisches Forschungsprojekt Magnaquest scheint Ähnliches für Violine zu entwickeln: „The originality of this game is to allow children to use their violin as a joystick with which they evolve in various scenes, and to practice using playful activities based on procedures of gamification.“ (Magnaquest Website, Stand: 08.10.2015)
Kammermusik auf dem iPad:. Titel
https://youtu.be/Ib_KIixMCWY
Die an der renommierten Juilliard-School App entwickelte App lässt uns die einzelnen Stimmen der Streicher im Quartet ein- und ausblenden. Hochaufgelöstes Videomaterial lässt uns dabei den Instrumentalisten genau auf die Finger schauen, währen wir die Notation nachverfolgen und genau hinhören.
Erweiterung des Instrumentalunterrichts
Die genannten Spiele und anderen Unterrichtsangebote in der digitalen Heimat können zu mehr selbstständigen Übungseinheiten führen, einerseits durch die medienspezifischen Motivationsfaktoren (Feedback-Schleife bei Videospielen), andererseits durch das gewohnte digitale Umfeld aus sozialen Netzwerken, bewegten Bildern, Videogames und Apps. Blendend Learning, also die Verbindung diese Lehr- und Lernformen mit der Präsenzlehre bleibt dabei aber wesentlich, da die persönliche Lehrer-Schüler-Bindung wichtig ist und der körperlicher Zugang bzw. die Haltung anders kaum vermittelt und korrigiert werden kann. Außerdem wird korrektes Instrumentalspiel bei Videospielen im besten Fall nur in Tonhöhe und Tempo überprüft, Intonation und Klang dabei aber kaum vermittelt. In jedem Fall fördern unterschiedlich Angebote die Auseinandersetzung mit dem Instrument und geben alternative Perspektiven auf die Inhalte.