Interface

Maschinen verfügen über charakteristische Ausformungen, die eine Beziehung zum Menschen aufweisen, das Interface. Der Begriff ‚Interface’ kommt ursprünglich aus dem Lateinischen. ‚Inter’ (lat.: zwischen) weist auf ein ‚Dazwischen’, ein Bindeglied mit zwei Seiten hin, ‚face’ leitet sich von ‚facere’ (lat.: machen) ab und impliziert damit ein Handeln. Es liegt ebenfalls nahe, ‚face’ englisch mit ‚Gesicht’ zu übersetzen, was wiederum auf eine charakteristische Oberfläche hindeutet, die verschiedene Gesichtszüge bzw. Zustände annehmen kann und damit bereits auf etwas Menschliches hinweist. Demnach beschreibt der Begriff ‚Interface’ eine Oberfläche oder Struktur, die zwischen den zwei Seiten Mensch und Maschine vermittelt, um ein bestimmtes Handeln zu ermöglichen. Analog dazu verdeutlicht Gui Bonsiepe durch sein ‚ontologisches Design-Diagramm’ die Verbindung der drei Elemente ‚Aufgabe’, ‚Benutzer’ und ‚Werkzeug’ zum Interface.[1]Die Rolle der Mensch-Maschine-Schnittstelle besteht entsprechend darin, dem Benutzer bei einer Aufgabe bzw. Handlung zu helfen, indem ihm ein Werkzeug zugänglich gemacht wird. Daher bezieht sich Interface-Design darauf, Gegenstände so zu gestalten, dass ihre Funktionsweise durch menschliche Sinne erfahrbar und handhabbar wird. Ein- und Ausgabemedien digitaler Maschinen müssen Formen annehmen, die ihrem Anwender und ihrer Anwendung gleichermaßen gerecht werden. Der Begriff ‚Interface’ beschreibt also im Allgemeinen die Dimension, die zwischen Menschen und Maschinen liegt, und im Konkreten technische Schnittstellen, ihre Oberflächen und Ausformungen.

Um dem Menschen digitale Daten zugänglich zu machen, werden spezielle Schnittstellen zwischen ihm und der Maschine benötigt. Das ‚Human Computer Interface’ (HCI) übernimmt die Interpretation der Daten beispielsweise in Form eines Programms mit einer am Bildschirm sichtbaren Oberfläche. Interfaces beschränken sich jedoch nicht nur auf Monitoroberflächen oder auf die Repräsentation binärer Berechnungen. Prinzipiell ist jede Struktur, die dem Zweck dient, Mensch und Objekt mit dem Ziel der Interaktion zu verbinden, ein Interface. Jener Begriff der ‚Interaktion’ stammt ursprünglich aus der sozialwissenschaftlichen Handlungstheorie und beschreibt dort die wechselseitigen Beziehungen menschlichen Handelns. Grundlage für interaktive Verhältnisse sind die Übereinstimmungen in Techniken der Kommunikation, Zeichen- bzw. Symbolvorrat und bestimmten Verhaltensmustern. Durch die Tatsache, dass die Mensch-Maschine-Interaktion in Echtzeit[1] realisierbar ist und Maschinen durch ihre Entwickler, Programmierer und Designer an die Konventionen menschlichen Handelns und Wahrnehmens angepasst werden, lässt sich der Begriff sinngemäß auf das Mensch-Maschine-Verhältnis übertragen.[2] Brenda Laurel definiert ‚Interaktivität’ zusammenfassend als „the ability of humans to participate in actions in a representational context.“[3] Die Gestaltung dieser Interaktivität ermöglichenden, repräsentalen Kontexte in Form von Oberflächen und Apparaturen sowie ihre Funktionalität und Herkunft sind Schwerpunkte der folgenden Überlegungen.

1.1.1 Graphical User Interface (GUI)

Ein entscheidendes Medium in der Vermittlung zwischen einem Computer und seinem Benutzer ist der Bildschirm, der durch die Entwicklung des ‚Graphical User Interface’ (GUI) gewissermaßen zum visuellen Übersetzer der Mensch-Maschine-Interaktion geworden ist. Grundlegend ist hier die Strategie des „bitmapping“[4], durch die Daten als Bilder in einem Informationsraum dargestellt werden und den jeweiligen Zustand des Systems repräsentieren können. Diese Form der Darstellung ist den meisten Menschen zugänglich: „[I]mages have a greater efficiency in importing information than language does.“[5] Außerdem ist sie der erste Schritt dazu, die Informationsverarbeitung am Computer ohne Kenntnisse von Programmsprache und digitalem Code zu ermöglichen. Aus McLuhans These „We return to the inclusive form of the icon“ lässt sich in diesem Zusammenhang ableiten, dass eine alle einschließende Kultur der Benutzeroberflächen weniger elitär sein würde als die Kultur der Schriftgelehrten.[6] Andererseits sieht Friedrich Kittler hier einen „Computeranalphabetismus“ entstehen, gerade weil nur eine kleine Elite hinter die Repräsentation der Codes schauen kann.[7] Die dialogische Beschaffenheit digitaler Kultur ermöglicht auf Grundlage der Zugänglichkeit ihrer Interfaces im gleichen Maße gesellschaftliche Emanzipation, wie sie diese verhindert, indem sie ihre Struktur verschleiert.

1.1.2  Direkte Manipulation

Darüber hinaus beruht das GUI auf Douglas C. Engelbarts Prinzip der „direkten Manipulation“[8]. Dieser führte 1968 eine Demonstration durch, in der er veranschaulichte, wie mit Maus und Tastatur Informationen auf einem Bildschirm bearbeiten werden können. [9] Der visualisierte Mauszeiger gibt dabei ein Feedback indem er sich analog zur Hand des die Maus führenden Users auf dem Bildschirm verortet. Obwohl mit der Entwicklung dieses Interfaces eine Schicht mehr zwischen User und Maschine getreten ist, stellt sich eine taktile und visuelle Unmittelbarkeit ein, die die Vorstellung von der Maschine als Prothese in Frage stellt:

„[D]ie per bitmapping sichtbar gemachte Datensphäre […] war der erste größere Bruch mit der Weltsicht von der Maschine als Prothese. Zum ersten Mal stellte man sich eine Maschine nicht als Anhängsel unseres Körpers vor, sondern als eine Umgebung, als einen zu erforschenden Raum. Man konnte sich in diese Welt hineinprojizieren, sich in ihr verlaufen, über Dinge stolpern. Diese Welt war eher Landschaft als Maschine, eine Stadt aus Bits.“[10]

McLuhans Behauptung von der Ausweitung unserer Selbst, unseres Zentralnervensystems und unseres Bewusstseins kann in diesem Zusammenhang auch als eine Extension in die Technologie hinein gelesen werden. Das heißt, der Mensch wird Teil der Technik und die Technik Teil des Menschen. Im Interface ist dieser Übergang fließend. Der Mensch bewegt sich in der Maschinenwelt[11] und wird in Hinblick auf seine Außenwelt amputiert und/oder erweitert, je nachdem, inwiefern er sein jeweiliges Vorhaben mit Hilfe der Technologie realisieren kann. Es ist somit nicht klar zu trennen, wann der User die Maschine lenkt und wann die Maschine den User.

1.1.3  Vom Tool zum Environment

Damit es über das Interface zur Interaktion kommen kann, müssen zweckdienliche und ansprechende Formen gefunden werden. Die erste einschneidende Weiterentwicklung dieser Art äußerte sich in der zunächst von der Firma Apple eingeführten Desktop-Metapher. Die Bildschirmoberfläche als Schreibtisch mit ablegbaren ‚Icons’[12], Ordnern und virtuellen Schubfächern revolutionierte die Informationsverarbeitung, machte den Computer jedermann zugänglich und ist auch heute noch Grundmuster der gängigen Betriebssysteme. Der Erfolg dieser Metapher ist vor allem darauf zurückzuführen, dass sie den Benutzer in eine gewohnte und vorstellbare Umgebung versetzt, deren Grundprinzipien ihm vertraut sind. Über das Interface wird ein virtueller Handlungsraum zugänglich gemacht. Wir sind es gewohnt durch unser Handeln Einfluss auf unsere Umwelt zu nehmen, sie zu formen und zu bearbeiten. Schon dadurch, dass wir atmen, uns bewegen etc., verändern wir fortwährend den Zustand des uns umgebenden Systems der Umwelt. Der auf Digitalität basierende Handlungsraum gibt daher im Idealfall auch eine Rückmeldung auf jede den Zustand der Eingabemedien verändernde Handlung. Diese erfolgt über Ausgabemedien wie Bildschirm, Drucker, Lautsprecher, die den Handlungsraum authentisch erscheinen lassen.[13] Außerdem gilt nach Kittler: „[J]e mehr Dimensionen eine Schnittstelle selber aufweist, desto mehr Zustände macht sie sichtbar und mithin auch steuerbar.“[14] Das Interface hat sich somit vom Tool zum ‚Environment’[15] entwickelt und dient schließlich dazu, den jeweiligen Zustand des Systems erkennbar und manipulierbar zu machen. „Zugleich soll durch Betrachtung und Gebrauch die dahinter liegende Anwendungs- und Informationsstruktur sichtbar werden.“[16] Erkennbar ist der Systemzustand dann, wenn die Relation und das Verhalten der jeweiligen Objekte zueinander deutlich werden. Diese Erkennbarkeit ist die Grundvoraussetzung für die Mensch-Maschine-Interaktion.

 

Im Gegensatz zur angestrebten Transparenz der Zustände des Environments ergibt sich bei digitalen Interfaces eine Spannung zwischen Vielseitigkeit und Bedienbarkeit. Traditionelle Werkzeuge sind in einer lang andauernden Entwicklung ständig mit dem Ziel einer maximalen Funktionalität in ihrer Ergonomie an den Menschen angepasst worden. Auf diese Weise sind jedoch eher spezialisierte Werkzeuge entstanden.[17] Die Stärke digitaler Tools liegt dagegen vielmehr in ihrer universellen Einsetzbarkeit als in ihrer ‚Usability’, also ihrer Bedienbarkeit.[18] Der PC wird meistens durch Peripheriemedien wie Bildschirm, Tastatur und Maus kontrolliert, ohne Rücksicht auf die speziellen Anforderungen von Programmen und Userverhalten. Um das Missverhältnis in der Benutzerfreundlichkeit solcher Systeme auszugleichen, werden vielseitige Ein- und Ausgabemedien wie Touchscreens (berührungsempfindliche Bildschirme), Kameras, Mikrophone und Ähnliches eingesetzt. Im professionellen Bereich digitaler Produktionsumgebungen gewährleisten an bestimmte Software angepasste Controllereinheiten einen hohen Grad an Usability, gleichzeitig aber weniger universelle Einsatzmöglichkeiten. Daraus lässt sich folgern, dass die Komplexität eines Werkzeugs seine Bedienbarkeit tendenziell einschränkt oder zumindest je nach Anwendung spezifizierte Erweiterungen des Interfaces erfordert.

(Auszug aus meiner Magisterarbeit Interfacing Audio – Das Mensch Maschine Verhältnis in der digitalen Musikproduktion)



[1] ‚Echtzeit’ bedeutet, dass Interaktion mit einer kaum wahrnehmbaren Verzögerung, also instantan möglich wird. Das Ergebnis einer Manipulation liegt damit sofort vor.

[2] Vgl.: Dinkla, Söke (1997), S. 14 ff.

[3] Laurel, Brenda (1992), S. 35

[4] Vgl.: Johnson, Steven (1999), S. 21

[5] Cubitt, Sean (2005), S. 1

[6] Vgl.: Hartmann, Frank: McLuhan. Magier des Medienzeitalters.

http://www.telepolis.de/r4/artikel/9/9133/1.html (Stand: 17.02.2006)

[7] Kittler, Friedrich (1996), S. 237 – 251

[8] Vgl.: Johnson, Steven (1999), S. 31

[9] Eine Videodokumentation dieses Versuchs befindet sich auf:

http://sloan.stanford.edu/mousesite/1968Demo.html (Stand: 1.02.2006)

[10] Johnson, Steven (1999), S. 34 (Hervorh. i. O.)

[11] Dieser Gedanke wird sehr augenscheinlich, wenn man sich die virtuellen Welten aktueller Computerspiele vergegenwärtigt.

[12] ‚Icon’ (engl.: bildhafte Repräsentation)

[13] Vgl.: Herczeg, Michael (2005), S. 88

[14] Kittler, Friedrich (1996), S. 246

[15] Der Begriff ‚Enviroment’ (engl.: Umgebung), wird hier im Sinne von digitalem Handlungsraum verwendet.

[16] Khazaeli, (2005), S. 19

[17] Diese Spezialisierung zeigt sich anhand einer enormen Vielfalt von ‚klassischen’ Werkzeugen, wie beispielsweise Messern, die aufgrund ihrer jeweils speziellen Funktion zu unterscheidenden sind: Schnitz-, Rasier-, Teppich-, Taucher-, Wurf-, Tranchiermesser usw.

[18] Vgl.: Herczeg, Michael (2005), S. 2 f.



[1] Vgl.: Bonsiepe, Gui (1996), S. 20