Die Ära der „Langeweile“ ist vorbei!
– Dietmar Daths Roman „Die Abschaffung der Arten“

20110604-121339.jpgMan stelle sich vor, die Menschheit hätte den nächsten evolutionären Schritt schon längst getan: Fortschritte in der Biotechnologie haben eine neue Zivilisation aus Tiergestalten entstehen lassen, wahlweise mit zusätzlichen Händen statt Pfoten oder – wie wärs mit ein paar Flügeln? Gleichzeitig ist die Kommunikation über Pherinfone möglich: informationsreiche Gerüche überall, wir können jeder Zeit wissen, was anderswo geschieht. Auch unsere Maschinen sind in organische Strukturen eingeflossen. Denkende Automaten haben gar ein eigenes Gemeinwesen geschaffen und benutzen die überlebenden menschlichen Weibchen als Hebammen für die so genannten Keramikaner. Die Ära der „Langeweile“ ist endgültig vorbei!

Dietmar Dath hat mit „Die Abschaffung der Arten“ ein wahrlich fantastischen und hochkomplexen Roman verfasst. Wir blicken 500 Jahre in die Zukunft. Die Menschheit wurde bis auf wenige Ausnahmen von den Genten verdrängt. Wenn der Löwe Cyrus Golden der Libelle Philomena grollt, der Wolf Dimitri als Diplomat
auf Reisen in dieser verwirrenden neuen Welt geht und schließlich mit der Königstochter anbändelt, aber den Schwan verlässt, dann ist man mitten in dem Beziehungsgeflecht einer quasi aristokratischen Gesellschaft. Doch auch diese ist nur eine Episode in Daths utopischer Evolutionsgeschichte. Echse und Feuer müssen sich noch finden […] Dabei ist der Roman des ehemaligen Chefredakteurs der Spex alles andere als kitschig oder klischeehaft und spielt stilistisch und inhaltlich in einer anderen Liga als es bei Sci Fi und Fantasy zuweilen üblich scheint. Treffend zitiert die FAZ eine Passage

über das Dilemma der Menschen, das Dilemma der Welt, hier wie stets, heißt es im Buch:
„Von den anderen Menschen, denen es ja im Grunde allen auch so ging, nämlich völlig anders, aber schlecht, war erkennbar keine Hilfe zu erwarten. Ihr Vorstellungsvermögen hatte einen gefährlichen Knick; sie hielten generell von der Wirklichkeit viel mehr als von der Wahrheit.“ (FAZ)

Brilliant ist die sprachliche Vielfalt, mit der hier erzählt wird, manchmal wird das für den Leser mühsam aber meistens ist es treffend, zumal eine neue Gesellschaft sich selbstverständlich einer neuen Sprache bedient. Der Roman sprudelt über vor kreativen Wortschöpfungen.

Die „Abschaffung der Arten“ regt an sich mit der eigenen Art auseinanderzusetzen und die Grenzen zwischen Tieren, Menschen und Maschinen Individuell neu zu verorten.

Dietmar Daths Roman Die Abschaffung der Arten aus dem Jahr 2008 ist ein Hybrid: Fabel, Science Fiction, utopischer Roman, postmodernes Gedankenexperiment, philosophisches Szenario. In der Tradition von Platon, Thomas Morus, Arno Schmidt, George Orwell, H.G. Wells u.a. breitet Dath einen Kosmos aus, der von unzähligen und unergründlichen Figuren bevölkert ist, dessen Handlung sich unüberschaubar verzweigt und in dem er erfindungsreich und politisch zugleich der Frage nachgeht, warum der Mensch sich selbst abgeschafft und seine Umwelt vernichtet hat.

In bester dialektischer Manier spekuliert er darüber, ob eine posthumane Gesellschaft friedlicher und gerechter sein könnte. Gekennzeichnet von einer poetischen wie akademischen, lyrischen wie wissenschaftlichen, reichen wie kryptischen Sprache zugleich fasziniert und überfordert der Roman seine Leser und polarisierte seine Kritiker. (BR)

Kürzlich ist die 12-teiligen Hörspieladaption des Bayrischen Rundfunks (Regie Ulrich Lampen) erschienen. Den Sound dazu liefern Mouse on Mars!!! Das Hörspiel kann die Parallelität der Geschehnisse des Romans sehr überzeugend abbilden. An manchen Stellen scheint dieses Medium geeigneter als die Textvorlage, an anderen sollte man zum besseren Verständnis Passagen wiederholt hören oder lesen. Ich selbst habe den Roman zwischenzeitlich zur Seite gelegt und dann Monate später nochmal von Vorne begonnen. Es lohnt sich!

Webseite zum Roman mit Diethmar Daths Antworten auf Fragen, wie ob es sich bei „Die Abschaffung der Arten“ um einen utopischen Roman handle.

Hörspiel (Bayrischer Rundfunk/mouse on mars)

Leseprobe